das innere wissen - 24. Februar 2015

Auch wenn es schon wieder einige Zeit her ist, möchte ich noch von meinem Zwischenseminar berichten, dass vom 19. bis zum 24. Januar in einem sehr komfortablen Guesthouse in der Nähe von Entebbe stattfand. Es wurde von meiner Entsendeorganisation IN VIA Köln e.V. organisiert und war eine ganz tolle Woche! Auch unsere Mitfreiwilligen aus Tansania waren mit dabei. Trotzdem waren wir mit insgesamt 13 Uganda-Freiwilligen eine überschaubare und vor allem eine sehr angenehme Gruppe. Es tat echt gut sich mit den anderen über die eigenen Erfahrungen auszutauschen und unsere Erlebnisse der ersten Monate zu reflektieren.

Anders als bei den Vorbereitungsseminaren war viel mehr Zeit für freien Austausch und das Programm war zeitlich nicht so straff geplant. Auch inhaltlich hat mir das Seminar deutlich besser gefallen und es gab nicht so viele "Wie-fühlst-du-dich-gerade?" und "Ich-muss-allen-meine-Stimmung-mitteilen-obwohl-ich-dazu-gar-nicht-das-Bedürfnis-habe"-Momente wie auf den Seminaren letzten Sommer. Die Vorbereitungsseminare waren zwar auch eine wirklich schöne Zeit, aber ich war zu dem Zeitpunkt noch viel zu sehr auf andere Dinge konzentriert, sodass ich mich nicht besonders gut auf die Seminarinhalte einlassen konnte. Außerdem gehöre ich eben einfach nicht zu den Menschen, die anderen Personen, die ich erst seit wenigen Tagen kenne, unbedingt über meine eigenen Gefühle oder Stimmung informieren möchte.

Neben vielen guten Gesprächen bot sich auch Gelegenheit für einige Siedler-Spieleabende, die hoffentlich in den nächsten Monaten oder Wochen in Tansania und Luweero fortgesetzt werden.

Die Seminararbeit wurde auch diesmal wieder von uns mitgestaltet und wir konnten Themen einbringen, die uns bisher am meisten beschäftigt haben. Zu den wichtigsten Themen gehörte unter anderem das "Mzungu-Sein", also das Leben als Minderheit der Gesellschaft und die Rolle eines Freiwilligen. Aber auch das Leben in der Gastfamilie und die Frage nach dem Sinn des Freiwilligendienstes wurde von den meisten gestellt. Vor allem unser Mentor Magnus hatte darauf viele interessante Antworten.

Aus dem Seminar konnte ich sehr viel aus der Arbeit in den Kleingruppen mitnehmen. Ich habe mir eingestehen können, dass ich stolz auf mich sein kann; auf das was ich bisher geschafft habe, auch auf die kleinen Dinge. Ich bin eben einfach ein sehr selbstkritischer Mensch und war deshalb umso erleichterter, dass ich mir das bewusst machen konnte.

In der Abschlussrunde durfte sich jeder eine Karte mitnehmen, die zur eigenen Stimmung passt und die uns die restliche Zeit begleiten soll. Ich habe mir die Karte mit der Aufschrift "INNERES WISSEN" mitgenommen, um mich immer wieder selbst daran zu erinnern, dass ich zufrieden mit dem sein kann, was ich bisher geschafft habe und wie ich mit den Dingen umgegangen bin, mit denen ich konfrontiert wurde.

Es war in Ordnung, dass mich bestimmte Verhaltensweisen in meiner Gastfamilie oder anderer Ugander geärgert haben und es auch oft immer noch tun.
Es war nicht schlimm, dass ich mich in den letzten Wochen in der Gastfamilie manchmal in mein Bett zurückgezogen habe; mir wünschte, dass mein Zimmer eine Decke hat und die Fragen wie es mir geht ignoriert habe; so tat als hätte ich sie nicht gehört, weil ich einfach meine Ruhe haben wollte. Ich hätte mich nicht schlecht fühlen müssen, weil ich manchmal ein bisschen Zeit für mich brauchte, um zu lesen, Musik zu hören, E-Mails und Tagebuch zu schreiben oder einfach über das nachzudenken, was ich erlebt hatte. Ganz egal, ob es in Uganda als egoistisch gilt, wenn man alleine sein möchte. Ich hätte kein schlechtes Gewissen haben müssen, dass ich am Wochenende ins Guest House gefahren bin, um meinen Laptop zu laden oder zu skypen, auch wenn meine Gastmutter mir dann oft das Gefühl gab, enttäuscht darüber zu sein, dass ich nicht zu Hause blieb. Aber unabhängig davon, dass ich mich in der Gastfamilie insgesamt sehr wohl gefühlt habe, wollte ich eben trotzdem ein bisschen Kontakt nach Deutschland halten, was sich ohne Strom eben schwierig gestaltete.

So sehr ich mich auch anpassen wollte und versucht habe am Leben meiner Gastfamilie teilzuhaben, es gibt Grenzen – wenn man sie übertritt, gibt man sich selbst auf und fühlt sich dabei nicht mehr wohl. Man ist eben so wie man ist, kommt aus einer ganz anderen Kultur und Anpassung ist nur zu einem bestimmten Punkt möglich. Außerdem war meine Gastmutter doch so zufrieden damit, wie ich mich eingelebt hatte. Immer wieder sagte sie zu mir: "You have adjusted so nicely." Nur ich fühlte mich oft als würde ich mich unhöflich verhalten. Aber ich wollte eben einfach nicht jeden Nachmittag oder Abend im Wohnzimmer sitzen, Tee trinken und mich mit den Besuchern unterhalten, die oft stundenlang bei uns blieben.

Doch ich versuchte daran zu denken wie viel ich geschafft hatte, wie viele kleinere und größere Herausforderungen ich gut gemeistert hatte. Ich machte mir klar, dass es mir gelungen war mich dort so schnell einzuleben und unter diesen völlig anderen Lebensumständen gut zu Recht zu kommen. Und wenn ich nur gelernt hatte mit der Hand zu waschen.

Niemals werde ich vergessen wie frustriert ich am Anfang war, als meine Gastmutter immer wieder zu mir sagte: "You can't wash". Ich dachte an Leute in meinem Alter, die noch nicht mal in der Lage sind eine Waschmaschine zu bedienen. Oft kam ich mir so hilflos vor, als hätte ich alles neu lernen müssen, als wäre ich total unselbstständig, nur weil ich mich ständig beim Kochen mit Holzkohle verbrannt oder mir beim Gemüseschneiden ohne Schneidebrett in die Finger geschnitten habe. Dabei war ich doch in Deutschland schon immer ein sehr selbstständiger Mensch und kam mir hier auf einmal teilweise gar nicht lebensfähig vor. Umso mehr kann ich stolz auf mich sein, das ich inzwischen selbst Jeans, Handtücher und meinen Schlafsack so gut waschen kann, dass sie richtig sauber werden und ich keine Schürfwunden mehr an den Fingern habe.

Ich erinnerte mich daran wie sehr ich gespürt hatte, dass man nun mal von der eigenen Kultur so stark beeinflusst wurde, dass sie einen ausmacht, enorm stark geprägt und zu dem Mensch gemacht hat, der man ist. Natürlich habe ich hier schon unvorstellbar viele Eindrücke aufgenommen, die mich verändert und die meine Einstellung zu bestimmten Themen beeinflusst haben. Und trotzdem bleibe ich ich selbst. Ich musste daran denken wie meine frühere Nachbarin Petra vor meiner Ausreise zu mir sagte, ich solle mir während des Jahres selbst treu bleiben. Was sie genau damit meinte wurde mir jetzt erst klar und hat mir sehr viel Mut gemacht.

Es ist nicht schlimm, dass ich anders bin, dass ich aus einer anderen Kultur komme und manches nicht verstehe. Es ist verständlich, dass es mir nicht leicht fällt mit Verhaltensweisen umzugehen, die ich als unangenehm, unverständlich, unfreundlich oder auch einfach als respektlos empfinde. So sehr ich auch versuche Verständnis aufzubringen, es wird eben nicht immer klappen. Aber das macht nichts solange ich es versuche. Ich kann mich nicht immer richtig verhalten, wenn mich bestimmte Situationen schlichtweg überfordern; und ich muss es auch nicht. Und wer hat gesagt, dass ich mich bisher falsch verhalten habe, wenn ich einfach nicht verstanden habe, warum etwas passiert und wie. Wenn ich mich wieder einmal wütend und traurig zugleich fühlte, nachgefragt habe, trotzdem keine Antworten bekommen habe. Wenn in meinem Kopf wieder zu viele Fragen waren, auf die es vielleicht einfach keine Antworten gibt und die mich aber gerade deshalb so sehr beschäftigen. Dann konnte vielleicht niemand mein Verhalten verstehen, genauso wenig wie ich mit dem umgehen konnte, was ich sah oder fühlte.