vom „simple life“ im kerzenlicht und hippos in der dunkelheit - 4/11/14

Ich bin gut in meiner Gastfamilie angekommen und fühle mich dort sehr wohl. Schon bei meinem ersten Ausflug vor zwei Wochen habe ich einige Familienmitglieder kennengelernt, mittlerweile habe ich aber einen etwas besseren Überblick der Familienverhältnisse. Meine Gastmutter Anne hat zwei Kinder, Ruth und James, und ist Schulleiterin an einer Schule für Kinder von drei bis sechs Jahre. Ihr Sohn ist bereits ausgezogen, ihre Tochter Ruth ist 27 und wohnt mit ihrer fast zweijährigen Tochter Thecla zurzeit wieder zu Hause. Thecla wird auch „Baby Theci“ genannt und ist echt süß, isst, singt, tanzt oder redet ununterbrochen. Wenn sie über Nacht mal bei ihrem Papa bleibt, ist es also ziemlich ruhig im Haus und sie wird ganz schnell von allen vermisst.

Meine andere Gastschwester Rachel ist 24 und wurde als Baby von Anne adoptiert. Weil sie im Schichtdienst bei einem Telefonunternehmen arbeitet, sehe ich sie aber nicht so häufig. Dann gibt es noch Joshua, er ist fünf und lebt bei uns, weil Anne seiner Mutter aus verschiedenen Gründen angeboten hat, ihn aufzunehmen. Ich war sehr überrascht darüber, wie höflich er ist und kam mir ganz seltsam vor, als er bei der Begrüßung einen Knicks gemacht hat. Obwohl ich später erfahren habe, dass die Kinder hier lernen vor allen Erwachsenen auf die Knie zu gehen, fand ich es am Anfang trotzdem jedes mal komisch, wenn er mich auf diese Weise morgens begrüßt hat.

 

Das Haus meiner Gastfamilie hat wie hier üblich keine Decken, sondern nur Zwischenwände, sodass es trotz Türen eher wie ein großer Raum wirkt und sich Abends oft noch unterhalten wird, wenn alle in ihren Betten liegen. Aber die Häuser mit Decken sind hier nicht weniger hellhörig, sodass es eigentlich auch keinen Unterschied macht, ob man nun welche hat oder nicht.

Hinter dem Haus befinden sich die Latrine, mehrere Gemüsebeete und die hauseigene Müllhalde, auf dem wir immer wieder unseren Müll verbrennen. Wir essen viel Obst und Gemüse aus dem Garten, in dem unter anderem Tomaten, Kohl, Kartoffeln, Avocados und Bananen wachsen und in dem sich oft auch Tiere, wie letzten Sonntag ein Rind, verlaufen.

Wie mir schon am ersten Abend erklärt wurde, ist das Haus „the center of the familiy“, und bedeutet, dass ich neben Nachbarn und Freunden auch meist noch unbekannte Familienmitglieder im Wohnzimmer vorfinde, wenn ich nach Hause komme. Wie zu allen anderen Tages- und Nachtzeiten gibt es dann erst mal eine Tasse „caayi“, schwarzen Tee mit frischem Ingwer und Milch. Letzte Woche hat Ruth ein paar grüne Blätter mitgebracht, mit denen ich wenig anfangen konnte, bis sie mir erklärte, dass es Zimtblätter sind, die auch für Tee verwendet werden können. Ich konnte es gar nicht wirklich glauben - ich liebe Zimt, kannte ihn aber bisher nur in Form von Pulver und Stangen. Inzwischen habe ich also einen neuen Lieblingstee, den ich oft nach der Arbeit trinke.

Wenige Tage nach meiner Ankunft erfuhr ich von Ruth, dass meine Familie nicht erst seit zwei Monaten keinen Strom mehr hat, sondern schon seit acht Jahren ohne funktionierende Stromanschlüsse lebt. Angeblich sind die Leitungen zwar inzwischen verlegt worden, es gibt aber bei der Gemeindeverwaltung keine Messgeräte mehr, sodass es wahrscheinlich noch ein bisschen dauern wird und ich mich nicht darauf einstelle, dass es in den drei Monaten, die ich dort verbringen werde, so weit sein wird. Wenn tagsüber nicht grade Stromausfall ist oder die Steckdose im Umkleide- und Schlafraum nicht grade zum Bügeln von OP-Kleidung genutzt wird, kann ich meinen Laptop im Krankenhaus laden, was mir Abends dann zumindest noch kurz die Möglichkeit gibt, an meinen Blogeinträgen weiterzuschreiben und ein bisschen Kontakt nach Deutschland aufzunehmen.

Ansonsten lebt es sich ohne Strom erstaunlich gut, weil sowieso mit Holzkohle gekocht wird und dadurch, dass es recht häufig Stromausfälle gibt, ist es echt praktisch, dass wir davon zu Hause gar nicht betroffen sind. Die Holzkohle zu Erhitzen dauert morgens zu lang, weshalb ich netterweise jeden Morgen einen kleinen Petroliumkocher benutzen darf, um meine Haferflocken zu kochen. Ein Kühlschrank wäre vielleicht manchmal praktisch, wirklich brauchen tun wir ihn aber auch nicht.

„I love simple life“, sagt Anne immer wieder, und davon abgesehen, dass mein Laptopakku nur eine Stunde hält, finde ich ich das Leben ohne Strom auch echt gemütlich.

Wenn Abends um kurz vor sieben die Sonne untergeht, heißt es in meiner Gastfamilie also Kerzen anzünden, um das Abendessen zuzubereiten. Nachdem es am ersten Wochenende traditionelleres, aufwändigeres Essen gab, wurde mir angekündigt, dass unter der Woche nur „simple food“ gekocht wird. So einfach wie behauptet, ist das Essen aber gar nicht und abgesehen von dem geräucherten Fisch in Erdnusssauce, fand ich die meisten Gerichte echt lecker.

Auch wenn es draußen noch nicht ganz dunkel ist, sieht man im Haus schon sehr früh fast nichts mehr. Abends gehe ich deshalb fast immer mit einer Kerze duschen, für die wir alte Aschenbecher als Kerzenständer benutzen. Im Dunkeln zu Duschen hat den Vorteil, dass ich die Spinnweben und ihre Bewohner nicht sehe. Allerdings habe ich es schon zwei mal geschafft, die Kerze versehentlich mit Wasser zu übergießen. Nach einem kurzen Flackern und Knistern, war meine Hoffnung, dass sie nicht erlischt leider vergeblich und ich musste mich durch den dunklen Raum tasten, um mein Handtuch zu finden und ein Streichholz aus der Küche zu holen. Auf dem Weg dorthin nicht gegen irgendwelche anderen Waschschüsseln, Wasserkanister, Eimer, Holzkohlesäcke, Bananenstauden oder die hauseigene Pilzplantage zu stolpern, ist gar nicht so einfach. Unser „Badezimmer“ wird nämlich gleichzeitig auch als Vorratsraum genutzt.

Ansonsten war die Umstellung vom Duschen mit fließenden Wasser, hin zur neuen Methode mit der Waschschüssel gar nicht so groß, weil im Guest House so wenig Wasser aus dem Duschkopf kam, dass mir die neue Art zu Duschen sogar effektiver zu sein scheint. Ab sofort kann ich sogar warm duschen, wenn ich das kalte Wasser aus der Leitung mit kochend heißem Wasser aus einer der Teekannen mische, das wie alles andere über den Holzkohlestöfchen erhitzt wird.

Am Sonntag vor zwei Wochen bin ich mit Ruth in den katholischen Gottesdienst gegangen, weil der englischsprachige evangelische Gottesdienst schon um 6:30 Uhr anfing und ich ganz so früh dann doch nicht aufstehen wollte. Bevor wir losgingen fragte Ruth mich, ob ich auch einen langen Rock dabeihabe, den ich anziehen könnte, was ich leider verneinen musste. Sie gab mir dann einen lilafarbenen, bodenlangen Rock von ihr, da ich sonst in der ganzen Kirche die einzige Frau ohne Rock gewesen wäre.

 

Die katholische Kirche und die dazugehörige Schule, in der Anne arbeitet, ist in nur zwei Minuten fußläufig zu erreichen. Da es aber kurz bevor wir losgegangen sind so stark angefangen hat zu regnen, dass sich die steilen, sandigen Straßen in reißende Bäche verwandelt haben, stellten wir uns unter. Wir warteten mindestens fünf Minuten mit einem Bekannten von Ruth, den wir kurz vorher getroffen hatten, unter dem Vordach eines Hauses und ich konnte zusehen, wie der Regen in dicken Tropfen vom Himmel fiel und das rotbraune, schlammige Wasser mit leeren Milchtüten, alten Fruchtschalen, Kinderschuhen und anderem Plastikmüll an meinen Füßen vorbei floss. Obwohl es noch nicht aufgehört hatte zu regnen, mussten wir irgendwann trotzdem weiterrennen, damit Ruth wenigstens noch bei den letzten Liedern der Chorprobe dabei sein konnte.

 

Anstatt sich während des Gottesdienstes bei den Worten „Friede sei mit dir“ die Hand zu geben, haben viele der Menschen um mich herum mit der Faust eingeschlagen, weshalb ich erst gar nicht wusste, was los ist, bis ich gemerkt habe, dass wir gerade beim Friedensgruß waren.

 

Witzigerweise sind alle Zitrusfrüchte, die ich bisher hier gesehen habe grün. Bevor ich mir dessen bewusst war, ist es vorgekommen, dass ich mit einer Verkäuferin an einem Obst- und Gemüsestand über den Preis einer Zitrone verhandelt habe, bis sie mir gesagt hat, dass es sich eigentlich um eine Orange handelt. Immer wenn ich Anne und Ruth von solchen Erlebnissen erzähle oder ähnliche Situationen bei ihnen zu Hause erlebe, lachen sie mit mir und sagen: „You'll learn mpolampola“. Das ist Luganda und heißt „langsam“.

 

Mittlerweile kann ich, sofern es nicht regnet, zu Fuß zur Arbeit laufen. Ansonsten empfiehlt sich das nicht gerade, es sei denn man möchte voller Schlamm und mit nassen Füßen ankommen. Für den Weg brauche ich etwa 25 Minuten, und obwohl ich das Gefühl habe, inzwischen langsamer zu gehen, habe ich mich wohl noch nicht ganz dem ugandischen Tempo angepasst. Es hieß nämlich zuerst, dass man eine Dreiviertelstunde für die Strecke braucht und ich wurde mehrfach gefragt, ob ich wirklich laufen möchte.

 

Ich weiß wirklich nicht wie ich am besten über die Situation im Projekt berichten soll. Im Moment gibt es für uns an den meisten Tagen fast gar nichts zu tun, aber wenn, dann sind es meistens Mütter in den Wehen, deren Babys sich genau denselben Zeitpunkt ausgesucht haben, um das Licht der Welt zu erblicken.

Ansonsten können wir uns hin und wieder die Zeit damit vertreiben, aus Baumwolle kleine Wattebausche zu zupfen, die als Tupfer genutzt werden oder große Mullrollen zu Kompressen zu zerschneiden und falten – nicht ganz die Arbeit, die wir uns vorgestellt haben, aber wir sind meist froh darüber wenigstens irgendetwas zu tun. Ich habe aber das Gefühl, dass es für uns auch schwierig wäre hier selbstständig zu arbeiten, wenn es mehr Patienten gäbe, denn das System nachdem Untersuchung und Behandlung ablaufen, habe ich immer noch nicht ganz durchschaut. Außerdem ist für uns oft nicht ersichtlich woran ein Patient erkrankt ist, weil das Personal sich hauptsächlich auf Luganda verständigt und die kleinen Zettel, die die Patienten mitführen und auf denen Laborergebnisse, die Diagnose und Therapie notiert werden, leider unmöglich zu entziffern sind. Wenn wir bei den Schwestern oder Ärzten nachfragen, warum etwas gemacht wird, bekommen wir meist auch keine einleuchtende Erklärung, was echt schade ist, weil wir dadurch die Arbeitsabläufe nicht nachvollziehen können.

Für mich ergibt es einfach keinen Sinn, dass es im gesamten Krankenhaus kein Händedesinfektionsmittel gibt und die Infusionslösungen zu teuer sind, sodass Antibiotika unverdünnt in die Vene gespritzt werden oder Einmalprodukte wie Masken zum Vernebeln von Aerosolen bei Atemwegserkrankungen wiederverwendet werden. Gleichzeitig wird Geld dafür ausgegeben, die Wände und Mauern, das Treppengeländer, sowie die Tore streichen zu lassen, anstatt in die Verbesserung der medizinischen Versorgung zu investieren.

 

Unsere Ansprechpartner im Management suchen immer wieder das Gespräch mit uns und haben uns gebeten, unseren Teil dazu beizutragen, die Dinge zu verbessern, die uns auffallen, indem wir die Schwestern und Ärzte darauf aufmerksam machen. Ich bin allerdings der Meinung, dass es mir nicht zusteht einem ugandischen Arzt zu erklären, wie man sterile Handschuhe anzieht.

 

Schwieriger noch als die hygienischen Bedingen hinzunehmen, ist es in manchen Situationen mit der Sichtweise der Menschen mit einem anderen kulturellen Hintergrund umzugehen.

Ein etwa ein- bis zweijähriges Kind, das vorletzte Woche nach einem Verkehrsunfall zu uns gebracht wurde und aus Mund und Nase blutete, hätte dringend abgesaugt werden müssen. Nachdem eine Schwester über eine halbe Stunde lang mit einem Blasebalg versucht hatte, die Atemwege freizumachen, entschieden Maria und ich uns dazu, die Absaugpumpe aus der ersten Etage zu holen. Diese wollte aber niemand benutzen und wir wurden gebeten, sie wieder runter zu tragen. Warum zur Verfügung stehendes Material nicht genutzt wird, kann ich wirklich nicht verstehen. In diesem Fall wurde es, warum auch immer, nicht als nötig erachtet. Die 5 Liter Sauerstoff, die dem Kind verabreicht wurden – die maximale Literzahl des Gerätes -, veränderten nichts an der abnormen Atmung und eine Verlegung in ein anderes Krankenhaus schien mir die einzige Überlebenschance für dieses Kind. Man wollte allerdings abwarten, bis die Medikamente wirken und es sich stabilisiert hat.

Nach dem Wochenende erfuhren wir, dass es zwar nach ein paar Stunden in ein großes Krankenhaus nach Kampala verlegt wurde, dort aber kurze Zeit später verstorben ist. Das hätte ich noch hinnehmen können, auch wenn ich nicht verstehen konnte, warum das Kind erst am Nachmittag transportiert wurde. Schließlich hatte es wahrscheinlich schwere Hirnblutungen und es ist gut möglich, dass es auch nicht überlebt hätte, wenn es schon früher in ein anderes Krankenhaus gebracht worden wäre.

Wirklich schockiert hat mich aber die Aussage eines Mitarbeiters der behauptete, es sei Gottes Plan gewesen, dass das Kind stirbt und auch eine frühere Verlegung nichts daran geändert hätte. Ich konnte gar nicht glauben, was ich gehört hatte. Natürlich glaube ich daran, dass es etwas bringt für Kranke zu beten, aber jeder Mensch mit klarem Verstand, ob er nun an Gott glaubt oder nicht, sollte doch auch wissen, dass Beten allein keine Hirnblutung stoppen kann.

 

Ich kann mir im Moment nicht vorstellen dort ein Jahr lang zu arbeiten und frage mich, warum das Hospital Freiwillige aufnimmt, wenn es so wenige Patienten gibt, dass sogar die Schwestern häufig nichts zu tun haben. Um von uns zu lernen, wie man uns ganz am Anfang gesagt hat? Dies entspricht allenfalls der Wunschvorstellung des Managements.

Aber wie ich von Ruth erfahren habe, gab es vor wenigen Monaten einen Wechsel im Management des Hospitals. Scheinbar hat es dadurch einige Veränderungen gegeben. So ist der Großteil des Personals erst vor etwa drei Monaten eingestellt worden. Vielleicht müssen wir deshalb einfach noch ein bisschen abwarten und hoffen, dass sich die Situation bald verbessert.

 

Letzten Samstag war ich mit Anne und Ruth auf einer traditionellen „introduction ceremony“, die hier vor der eigentlichen Trauung erfolgen muss und auch als viel wichtiger angesehen wird, weil sie dazu dient, den Bräutigam der Familie der Braut offiziell vorzustellen, die ihn dann im besten Fall als ihren Sohn in ihre Familie aufnehmen und somit der Heirat zustimmen.

Seinen Eltern einfach anzukündigen, dass man heiraten wird, ist in der bugandischen Kultur undenkbar. Stattdessen ist man als Braut der Tradition gemäß dazu verpflichtet, den Weg über die erstgeborene Tante väterlicherseits zu nehmen, die dann den Vater über die bevorstehende Hochzeit informiert und die introduction organisiert. Mit der Mutter der Braut und all ihren „Aunties“ mütterlicherseits darf der Bräutigam allerdings nicht in Kontakt treten, da diese die Braut als eine ihrer Töchter bezeichnen und diese ihre Tanten auch als ihre Mutter ansieht. Vielleicht wird an diesem Beispiel deutlich, wie weit die Begriffe „brother“, „sister“ oder erst „cousin“ hier gefasst werden.

Die gleiche Regel gilt für die Braut - andersherum eben - für den Vater des Bräutigams und seine Brüder.

Ruth sagte mir, dass dies der Grund dafür sei, dass ihr Mann Gusta, wenn er bei uns zu Besuch ist, niemals neben ihrer Mutter, sondern immer ihr gegenüber sitzt, was mir aber in dem Moment erst aufgefallen ist.

 

Zu diesem besonderen Anlass, durfte ich zum ersten mal einen„Busuuti“ tragen, das traditionelle Kleid der Baganda, in dem ein Latrinenbesuch wirklich eine Kunst ist.

Bevor die Zeremonie losging, haben wir viereinhalb Stunden auf den Bräutigam gewartet, was dazu führte, dass auch meine Gastschwester langsam ungeduldig wurde und sich alle fragten, ob er überhaupt noch kommen würde.

Das Buffet wurde also schon vor seiner Ankunft eröffnet und ich war froh, dass ich in meiner Gastfamilie mit der Hand essen schon ein wenig geübt hatte. Besteck gab es nämlich nicht und meine Gastmutter freute sich - wie jedes Mal - wenn ich meine „natural fork“ benutze.

Als der Bräutigam um Viertel nach fünf endlich da war, wurden bestimmte Abläufe wohl nicht ganz so ausführlich zelebriert, wie sonst üblich, weil die Baganda dazu verpflichtet sind, alle kulturellen Handlungen bis 6 Uhr abends abzuschließen. Da das Fest aber dennoch bis 9 Uhr ging, fragte ich mich, wie lange es gedauert hätte, wenn der Bräutigam pünktlich gewesen wäre und nahm an, dass nicht alle Teile der Zeremonie im engeren Sinn als kulturelle Bestandteile gelten.

So ganz habe ich mich noch nicht daran gewöhnt, dass die Matatus hier des öfteren vollbesetzt an einer Tankstelle anhalten und sich der conductor nach dem Tankvorgang womöglich noch ein Getränk und eine Kleinigkeit zu Essen kauft.

Ich muss einfach jedes mal grinsen, wenn ich mir vorstelle, was passieren würde, wenn man in Deutschland ein Taxi nimmt, um zum Beispiel einen Zug am nächsten Bahnhof noch zu erwischen und der Taxifahrer auf einmal feststellt, dass er eigentlich noch Tanken muss und sich, wenn er schon mal da ist, auch noch eine Cola und eine Packung Nüsse kauft. Man sollte vielleicht dazu sagen, dass das Tanken hier in der Regel deutlich schneller geht, weil man direkt bei den Tankstellenangestellten bezahlen kann, die neben der Zapfsäule stehen und man Essen und Getränke von den sehr verkaufstüchtigen Händlern durchs Fenster gereicht bekommt. Trotzdem ist es für mich immer wieder eine witzige Vorstellung, diese Situation auf Deutschland zu übertragen, auch wenn es eigentlich gar nicht vergleichbar ist.

 

Letzte Woche Montag hat Ruth mir ihren Lieblingsort gezeigt, der zu Fuß nur zwanzig Minuten von unserem Haus entfernt ist und auf einem ein Hügel liegt, von dem man auf die umliegenden Districts und große Teile der der Innenstadt die beste Aussicht in ganz Kampala hat. Wir sind um kurz nach sechs losgegangen, und konnten nach dem Sonnenuntergang sehen, wie überall in der Stadt immer mehr Lichter angingen.

Hinter mir liegt ein wunderschönes Wochenende im Murchsion Falls National Park, der im Nordwesten Ugandas, am Nil und Lake Albert gelegen ist.

Am Freitagmorgen fuhren wir - 8 Freiwillige aus Deutschland und Holland -, um halb sieben mit unserem Fahrer los. Auf halber Strecke erreichten wir den Rhino Park, in dem aktuell 15 der insgesamt 17 Nashörner in ganz Uganda leben. Die anderen beiden befinden sich im Zoo in Entebbe, sodass der Park momentan der einzige Ort ist, wo man die Tiere in freier Natur sehen kann. In den achtziger Jahren wurden die letzten Nashörner in Uganda ausgerottet, sodass man sich im Jahr 2005 dazu entschieden hat, den Park zu eröffnen, um die Bestände langsam wieder aufzubauen.

Bevor das Rhino-Trekking beginnen konnte, fuhren wir etwa eine Dreiviertelstunde querfeldein durch den Park. Ich weiß wirklich nicht, wie unser Auto diese Wege – wenn man sie denn als solche bezeichnen kann -, überstanden hat. Aber dazu später mehr.

Als wir aus dem Auto ausgestiegen sind, wussten wir auch, warum wir vorher Gummistiefel von den Rangern bekommen haben: Sie führten uns durch das meterhohe Gras und tiefe Sümpfe, die wir auch mit den Gummistiefeln nicht alle trockenen Fußes überstanden haben. Nach einer Weile war ich mir gar nicht mehr sicher, ob wir überhaupt noch Nashörner sehen würden. Doch dann sagte einer der Ranger plötzlich, dass er eine Mutter mit ihrem Baby sehen kann, dem wir uns langsam näherten. Kurze Zeit später tauchte auch noch ein drittes Nashorn auf, das - wie uns der Ranger erklärte - der Vater des Babys war.

Auf dem Rückweg zum Auto begegneten wir noch drei anderen Tieren, die uns von den Rangern namentlich vorgestellt wurden. Darunter auch Obama, der 2009 geboren wurde und einen kenianischen Vater und eine amerikanische Mutter hat.

Vom Rhino Park, fuhren wir noch knapp drei Stunden bis zum Red Chilli Rest Camp, unserer Unterkunft im Nationalpark. Auf dem Weg dorthin begegneten wir den ersten Pavianfamilien und sahen durch das aufgeklappte Dach riesige Spinnen über unseren Köpfen, die ihre Netze zwischen den Baumkronen gesponnen hatten. Nach ingesamt sechs Stunden Fahrt kamen wir am frühen Abend im Rest Camp an und wurden freundlich von den dort lebenden Warzenschweinen empfangen.

Nachdem wir nach dem Abendessen noch eine Weile am Lagerfeuer saßen und ganz viele Wetterleuchten am Nachthimmel beobachten konnten, entschieden wir uns früh ins Bett zu gehen, um für den nächsten Tag ausgeschlafen zu sein.

Wirklich viel Schlaf sollten wir in dieser Nacht aber nicht bekommen. Eine Stunde nachdem wir eingeschlafen waren, schreckte ich auf, weil die beiden Holztüren unserer Hütte auf und zu schlugen und ich nach draußen in die Dunkelheit blicken konnte. Maria gelang es die Türen mit dem Gummiband meiner Stirnlampe zusammenzubinden, doch die Vorhänge klapperten und der Wind pfiff durchs Fenster, während sich draußen das heftigste Gewitter abspielte, das ich je erlebt habe. Ich hatte solche Angst, dass an Schlaf vorerst nicht zu denken war. Es blitzte alle fünf Sekunden und der Donner war so laut, dass ich bei jedem Knall das Gefühl hatte, die Erde bebt. Ich bin mir sicher, dass der Blitz mehrmals ganz in unserer Nähe eingeschlagen ist.

Erst als sich das Gewitter nach einigen Stunden verzogen hatte, konnte ich wieder einschlafen.

Aber es dauerte nicht lange bis ich von einem merkwürdigen Geräusch geweckt wurde, das wie ein Schmatzen klang. Das Personal hatte uns nach unserer Ankunft schon gesagt, dass nachts oft Hippos auf dem Campgelände grasen und man seine Hütte dann auch zum auf die Toilette gehen besser nicht verlassen sollte. Und tatsächlich, mein erster Gedanke bestätigte sich, als Maria und ich aus dem Fenster schauten: Weniger als zwei Meter von uns entfernt stand ein Nilpferd und fraß genüsslich Gras. Es war unheimlich und zugleich total faszinierend - diese Begegnung werde sicherlich nie vergessen.

 

Als der Wecker um sechs Uhr klingelte und wir uns aus unserer Türkonstruktion befreit hatten, erwartete uns draußen ein wunderschöner Sonnenaufgang.

Die erste Nilfähre haben wir gerade noch erwischt und unsere Safaritour konnte beginnen. Jeweils zu dritt setzten wir uns auf das Dach und genossen die wundervolle Aussicht auf die atemberaubenden Weiten der Landschaft und die vielen Tiere, an denen wir vorbei fuhren. Überall entdeckten wir Elefanten, Giraffen, Antilopen, Affen, Warzenschweine, Hyänen, Nilpferde, Büffelherden, Eidechsen und verschiedene Vogelarten. Ich hatte mich sehr auf dieses Wochenende gefreut, aber ich hätte niemals gedacht, dass es mir so gut gefallen würde. Die Vielfalt der Landschaft in den verschiedenen Teilen des Parks war einfach nur überwältigend.

Wie das Auto, ein Toyota vom gleichen Modell wie die Matatus hier, die matschigen Wege überstanden hat, bleibt für mich ein Rätsel.

Ich staune auch im Stadtverkehr täglich darüber, welche Schlaglöcher diese Autos bewältigen, aber das ist alles kein Vergleich zu den Momenten, als wir auf dem Dach saßen, sich das Auto in Schräglage befand und ich jedes mal Angst hatte, dass wir umkippen. Die Tatsache, dass wir nur gerutscht, aber kein einziges mal im Schlamm stecken geblieben sind, ist meiner Meinung nach mehr als verwunderlich.

Dem Werbeslogan „Nichts ist unmöglich – Toyota“ kann ich nach diesem Wochenende also nur zustimmen.

Nach einer kurzen Mittagspause im Rest Camp begann unsere zweistündige Bootstour auf dem Nil.

Je mehr wir uns den Wasserfällen näherten, desto mehr wurde der gelbliche Schaum auf dem Wasser.

Am Ufer und im Wasser konnten wir wieder Elefanten, Nilpferde, Vögel und andere Tiere beobachten.

Auf einem Stein inmitten des Flusses sonnte sich ein Krokodil mit geöffnetem Maul und ich war froh, dass wir uns nicht auf einem kleinen Holzboot befanden.

Man konnte die Murchison Falls schon sehen, als uns der Captain an einem Wanderweg aussteigen ließ, um mit den restlichen Passagieren flussabwärts wieder zurückzufahren, da man ab diesem Punkt wegen der starken Strömung nicht weiter fahren kann. Von dort aus wanderten wir in der schwülen Hitze die steilen Pfade entlang, bis wir nach etwa einer Stunde oben ankamen.

Es hat sich wirklich gelohnt, der Ausblick war einfach nur wunderschön und ich wollte gar nicht wieder gehen. Welche Reise dieses Erlebnisse noch übertreffen soll? Ich weiß es wirklich nicht.

Bevor ich heute wieder nicht fertig werde, höre ich an dieser Stelle besser auf, obwohl ich noch so viel zu berichten habe.

Leider brauche ich einfach eine halbe Ewigkeit, bis meine Texte fertig werden. Wenn ich Zeit habe zu schreiben, habe ich aber meistens keinen Strom, es sei denn ich fahre ins Guest House, wo mir in den letzten Tagen mehrere Stromausfälle auch einen Strich durch die Rechnung gemacht haben.

Also wundert euch nicht, wenn es bis zu meinem nächsten Artikel wieder ein bisschen länger dauert.